19.08.2025

19.8.

Das Mittelmeer ist mehr grau als blau, vereinzelt lässt die Sonne einige Wellenschäume glitzernd reflektieren, um mich herum ein schwellendes Geräusch vornehmlich arabischer Laute, unter mir das Zittern des Schiffmotors – und ich bin hauptsächlich mit den Problemen der modernen Diktatur beschäftigt – dem Internet.

Gestern haben wir in Marseille noch 10 handgeschriebene und frankierte Postkarten in den gelben Briefkasten Abteilung Internationales eingeworfen, die letzte Karte auf dem Weg zur Fähre, parkend am Bordstein mit hinter uns hupenden Autos. Das hat Spaß gemacht, bringt aber nur wenigen Empfängern den Genuß unserer Nachrichten, insofern habe ich ja versprochen, allen Familienmitgliedern, Freunden und Bekannten und Interessierten einen anderen Kanal zur Verfügung zu stellen. Nämlich hier! 

Hätte nicht gedacht, dass es so schwierig ist, unterwegs eine stabile Internetverbindung zu finden, die mich denselben einrichten lässt. Vor allem, da alle Handlungen gerade von Reisenden ja von der Verwendung eines internetfähigen Handys abhängig sind. Sei es bei der Buchung, der Zahlung oder vor allem den Tickets, die einem mittels QR Code den Zugang zu Flugsteig, Bahnsteig, Schiffssteig ermöglichen.

Insofern standen wir gestern ziemlich blöd mit unserem Auto am Hafen von Marseille und wussten nach unserem ersten fehlgeschlagenen Versuch mittels fehlenden Zugangscode bei vorhandenem Ticket durch eine Schranke zu fahren (inclusive hupender Autos hinter uns, Rückwartsfahren in tiefen Spurrillen etc, also so, wie wenn das Zahlen an einer Schranke auf der Autobahn nicht klappt und man selber und alle sich bereits hinter einem eingereihten Autos wieder zurück fahren müssen), nicht was tun. Jetzt werden unserer Verwandten wieder lachen und sich denken, ja die mit ihrer veralteten Technik/mangelnder Vorbereitung/schlechter Zeiteinteilung etc., aber Tatsache war, dass wir die richtige Adresse in die Navigationasapp eingegeben hatten, die Ausschilderung eine Katastrophe war und wir trotz zweier Telefonate mit dem Fähranbieter keine aktuelle Email mit einem QR Code oder pdf Ticket bekamen. (Vielleicht ist noch kurz zu erwähnen, dass mein Handy bereits deinstalliert war, da ich den Vertrag abgemeldet hatte, Axels Handy nicht besonders aufgeladen war, da unser Autoaufladestecker wahrscheinlich doch aus dem Auto in der Tiefgarage von Marseille gestohlen worden war und die Powerbank in den tiefen der Gepäckstücke im Kofferraum vergraben war.) Die Nerven wurden dünner, zumindest war es nicht mehr so heiß, milde 34 Grad nach den vergangenen heißen Hundstagen mit 42 Grad, bei denen ich dann mit Casimir einfach mal zu der Schranke ging. Dort kam ein freundlicher Mann des Sicherheitsdienstes, der mir auf Französisch versicherte, dass es okay wäre, wenn wir uns einfach mit der Bestätigung auf dem Handy der Schranke nähern würden, es würde uns jemand öffnen! Kaum zu glauben, Personen, die im Häuschen sitzen und mit uns sprechen. Entgegen mehrerer Straßenverkehrsordnungspunkte wendeten wir unser Auto, näherten uns der Schranke und tatsächlich streckte ein Mann auf der Höhe von LKW Fahrersitzen also circa 2m über uns den Kopf aus dem Häuschen und öffnete uns die Schranke nach kurzem Blick auf das Handy. Wir waren schon mal im Hafengelände drin und orientierten uns an „Embarquement Maroc“, was nicht immer eine sichere Orientierung versprach, vor allem da auf dem nächsten Schild Marseille-Tanger geschrieben stand, wir aber doch für Marseille-Nador gebucht hatten. Gotteidank saßen an den kritischen Orientierungspunkten an Kreiseln und Toröffnungen jeweils eher ältere Männer, die uns mehr oder weniger freundlich „ la gauche“, „la bas“ oder ähnliches zuriefen, bis wir uns in der richtigen Abfertigung befanden. Ich will euch nun nicht länger langweilen – dieser Blog soll keine minutiöse Aufzählung unserer Reiseerlebnisse werden- alles lief problemlos, mit erwarteter längerer Wartezeit und für uns vor allem erstaunlich undigital. Was uns natürlich erfreute, wie ihr euch bestimmt denkt, allerdings nur so lange, bis wir merkten, dass der Internetzugang auf dem Schiff erstens nicht kostenlos und zweitens von grottenhaft schlechter Qualität war. Insofern erreicht euch dieser Beitrag auch erst wieder verspätet, da meine Überlegung, auf dem Schiff gemütlich meinen Zugang einzurichten, damit auch wieder obsolet geworden ist. In diesen Momenten wünsche ich mir stark einen Vertreter aus der jüngeren Generation herbei, die mir das schnell und problemlos einrichten.

Insofern hängen wir alle an der modernen Nabelschnur der Aufladekabel, passenden Stecker und einer langen Verbindung von Ziffern und Symbolen, die uns den Zugang zur gemeinsamen Welt und zur Verbindung miteinander ermöglichen.  Vielleicht reißt die Nabelschnur auch dadurch nie ab? Noch weniger bzw. später als überhaupt zwischen Eltern und Kindern: wird sie normalerweise immer dünner und länger und verwandelt sich in eine immaterielle, metaphysische Verbindung, bleibt durch das Senden von whatsapps, sms, Bildern und face time Telefonaten eine ständige Konnektion. Das merken wir mit der Verbindung zu unseren großen Kindern, die weit entfernt sind und mit denen wir uns gut austauschen können. Von den unterschiedlichen Tageszeiten mal abgesehen – Valerie ist 7 Stunden zurück, Frederik 7 Stunden voraus, auf dem afrikanischen Kontinent verschiebt es sich noch einmal um eine Stunde. Und die Gerüche auf costaricanischen Straßen, den Lärm der Muezzin Gebete, die Leere in australischen Vorortsiedlungen, das kann man nicht auf diesem Wege spüren

Das ist nun nichts Neues mehr, auch wir von der Generation y(?), die ohne Handy aufgewachsen sind und erst seit den letzten knapp 15 Jahren Lebenszeit mit Smartphones verbringen, greifen mehr oder weniger sofort dazu, wenn wir in Cafes, Zügen oder im Auto sitzen. Um uns herum sitzen in der Lounge des Schiffes „Kallisto“ die meisten vor ihren Smartphones und Laptops, aber es gibt auch Kartenspieler, Lesende, Schlafende, Leute, die einfach vor sich hinschauen und Casimir, der vor seinen schulischen Aufgaben sitzt. Die sind auf dem Papier und nehmen in ihrem Umfang einen ganzen Koffer Gepäck ein. Er hat mir gerade erzählt, dass er draußen auf dem Deck eine Frau mit Kinderwagen gesehen hat, bei der der Kinderwagen sich durch elektronischen Antrieb hin und herbewegt und das Kind schaukelt, währenddessen die Frau in ihr Handy schauen kann. Da konnten wir beide natürlich nur den Kopf schütteln – Mutter und Kind werden so keine gute Verbindung aufbauen können.

Der nächste Grund für eine Reise – erleben mit allen Sinnen – olfaktorisch, sensorisch, auditiv!

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